Die Vorsorgevollmacht

Ein Unfall, eine schwere Erkrankung oder eine Behinderung können Menschen von jetzt auf gleich die Möglichkeit nehmen, über sich und Ihre Angelegenheiten zu entscheiden. Ist die geistige Zurechnungsfähigkeit erst einmal verloren gegangen, geht dies mit einem gewaltigen Verlust der Selbstbestimmung und Freiheit einher. Ohne Vorsorge sind Betroffene in solchen Fällen den Entscheidungen von Familienmitgliedern und unter Umständen auch von fremden Menschen sowie Behörden gänzlich ausgeliefert. Mit der Vorsorgevollmacht kann für einen solchen Fall vorgesorgt werden. Hier werden einige der wichtigsten Fragen zu diesem Thema beantwortet. 

Fragen und Antworten zum Thema Vorsorgevollmacht

Was ist eine Vorsorgevollmacht?

Mit einer Vorsorgevollmacht bestimmt eine Person zum Zeitpunkt der geistigen Zurechnungsfähigkeit einen Bevollmächtigten für den Zeitpunkt, an dem die Zurechnungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist. Der Bevollmächtigte kann mit der Vollmachtsurkunde Rechtsgeschäfte für den Vollmachtgeber vornehmen. Dabei legt der Vollmachtgeber selbst fest, in welchen Bereichen der Bevollmächtige tätig sein darf. So kann die Vorsorgevollmacht zum Beispiel auf finanzielle Angelegenheiten beschränkt werden. Gibt der Vollmachtgeber der Vertrauensperson die Entscheidungsgewalt über seine sämtlichen Lebensbereiche, spricht man von einer Generalvollmacht. Der Bevollmächtigte darf dann sämtliche Verträge abschließend bzw. kündigen, Bankgeschäfte tätigen und auch über gesundheitliche Belange des Vollmachtgebers entscheiden. Rechenschaft ist er nur gegenüber dem Vollmachtgeber schuldig. Ausgenommen von der Vertretungsmacht sind höchstpersönliche Rechtsgeschäfte, wie Eheschließung, Testament und Ähnliches.

„Der Vollmachtgeber sollte dem eingesetzten Bevollmächtigen ein hohes Maß an Vertrauen schenken. Gleichwohl ist die Vorsorgevollmacht ein gängiges Instrument und wichtiges Instrument der Vorsorge, welches häufig zur Anwendung kommt“, Jan Thomas Ockershausen. 

Wer entscheidet ohne Vorsorgevollmacht?

Hat die betroffene Person keine Vorsorgevollmacht hinterlassen, bestimmt das Amtsgericht einen gesetzlichen Betreuer. Das ist üblicherweise ein Familienmitglied, kann aber auch ein Fremder sein. Dieser entscheidet zum Beispiel darüber, ob der Betroffene ins Heim kommt, bestimmt die Pflegeeinrichtung und über medizinische Maßnahmen.

Welche Vorteile hat die Vorsorgevollmacht?

Ein Vorteil der Vorsorgevollmacht ist, dass die Rechtsgeschäfte „schlank“ erledigt werden können. Sicherlich muss eine gewisse Rechnungsführung vorhanden sein, auch um gegenüber eventuellen späteren Erben Rechenschaft ablegen zu können. Es muss allerdings nicht jeder Beleg kleinlich aufbewahrt werden. Auch Zustimmungen von Ergänzungspflegern oder vom Betreuungsgericht sind selbst bei Grundstücksgeschäften nicht erforderlich. Bei einer Befreiung von § 181 BGB können die jeweiligen Geschäfte sogar vom Bevollmächtigten mit sich selbst abgeschlossen werden (was in jedem Fall anzuraten ist, um die Handlungsfähigkeit zu erweitern). 

Ab wann gilt eine Vorsorgevollmacht?

Die Vollmacht ist mit der Unterschrift gültig. Der Bevollmächtigte kann unter Vorlage der Vollmachtsurkunde ab sofort Rechtsgeschäfte vornehmen. Wenn der Vollmachtgeber unzurechnungsfähig ist, dann ist der Bevollmächtigte ohne Kontrolle.

Eine sogenannte „bedingte Vollmacht“, die erst dann greift, wenn der Vollmachtgeber nicht mehr für sich selbst handeln kann, bringt wenig. In diesem Fall muss nämlich zunächst der Beweis gegenüber dem Geschäftspartner über die fehlende Handlungsfähigkeit erbracht werden. Dies ist sehr schwierig. Grundstücksgeschäfte sind mit einer bedingten Vollmacht gar nicht möglich. Dies ist auch dann nicht möglich, wenn die (bedingte) Vorsorgevollmacht notariell errichtet wurde. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Vollmacht müssen nämlich ebenfalls in grundbuchtauglicher Form erbracht werden, was praktisch nicht möglich ist. 

Wichtig ist, dass der Bevollmächtigte bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts eine Ausfertigung der Vollmacht vorweisen kann. Kann er dies nicht, so ist ein Rechtsgeschäft für den Bevollmächtigten nicht möglich.

Kann eine Vorsorgevollmacht geändert werden?

Ja, der Vollmachtgeber kann, solange er geistig zurechnungsfähig ist, die Vollmacht jederzeit ändern. Dem Bevollmächtigen kann die Vollmacht jederzeit entzogen bzw. eingeschränkt oder erweitert werden.

„Im Falle des Widerrufs sollte darauf geachtet werden, dass Ausfertigungen, die der Vollmachtgeber bereits aus der Hand gegeben hat, von den Bevollmächtigten zurückgefordert werden, da ansonsten die Bevollmächtigten gegen den Willen des Vollmachtgebers tätig werden können.

In welcher Form ist eine Vorsorgevollmacht zu errichten?

Immer, wenn Grundstücke oder erhebliches Geldvermögen im Vermögensportfolio vorhanden sind, empfiehlt es sich, eine notarielle Vorsorgevollmacht zu errichten. Diese Vollmacht wird nämlich von Geldinstituten und vom Grundbuchamt anerkannt und ermöglicht so die Wahrnehmung sämtlicher Geschäfte. Handschriftliche Vollmachten finden hier häufig keine Anerkennung.

Brauche ich für eine Patientenverfügung eine Vorsorgevollmacht?

Es ist ratsam, zusätzlich zu einer Patientenverfügung auch eine Vorsorgevollmacht zu errichten. In der Patientenverfügung regelt der Betroffene, welche medizinische Behandlung er für den Ernstfall wünscht. Mit der Vorsorgevollmacht kann der Vollmachtgeber eine Person bestimmen, die im Fall des Verlusts der Entscheidungsfähigkeit die gesundheitlichen Angelegenheiten regelt. Mit der Vorsorgevollmacht sorgt der Vollmachtgeber also dafür, dass die Patientenverfügung auch durchgesetzt wird. 

„Ich rate dazu, bei einer Vorsorgevollmacht auch eine schriftliche Patientenverfügung beim Notar mit zu errichten. Damit wird dem Bevollmächtigten die Entscheidung im Ernstfall erleichtert und er kann die Forderung wirksamer gegenüber dem Arzt, Behörden und Familie durchsetzen“, Jan Thomas Ockershausen.

Mehr zum Thema Patientenverfügung lesen Sie auf unserer Themenseite.

Was ist der Unterschied zwischen Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung?

Mit der Betreuungsverfügung werden dem Amtsgericht verschiedene Personen vorgeschlagen, die im Ernstfall als gesetzlicher Betreuer eingesetzt werden können. Das Amtsgericht setzt diese dann auch als Betreuer ein. Mit der Vorsorgevollmacht legt der Vollmachtgeber eine Person fest, die nicht im Rahmen der gerichtlichen Betreuung, sondern im Rahmen eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses für sie tätig wird. Bei der Betreuungsverfügung wird also eine Person bestimmt, die unter Aufsicht des Amtsgerichtes und in dessen Auftrag für den zu Betreuenden tätig wird. Mit der Vorsorgevollmacht hingegen wird eine Person bestimmt, die auf Grund privatrechtlichen Geschäfts für den Vollmachtgeber tätig wird. Liegt eine Vorsorgevollmacht vor, bedarf es der gerichtlichen Betreuung regelmäßig nicht.

Wichtig ist insbesondere, dass bei der Vorsorgevollmacht eine Kontrolle durch das Amtsgericht nicht stattfindet. Der Vollmachtgeber sollte also dem Bevollmächtigten unbedingtes Vertrauen entgegenbringen.

Braucht der Ehepartner eine Vorsorgevollmacht?

Ja, auch der Ehepartner bekommt im Ernstfall nicht automatisch den Status des gesetzlichen Betreuers. Das Amtsgericht entscheidet zwar häufig zugunsten des Ehepartners, es kann aber auch eine gänzlich fremde Person als Betreuer einsetzen. Ohne die Vorsorgevollmacht hat der Ehepartner nicht das Recht, im Fall des Verlusts der Entscheidungsfähigkeit über die medizinische Behandlung des Betroffenen zu bestimmen. Dieses Recht haben nur die Eltern von Minderjährigen. Auch über den Aufenthalt in einem Heim, lebensverlängernde Maßnahmen oder Bank- und Immobiliengeschäfte darf der Ehepartner nicht ohne weiteres entscheiden. 

Zudem kann bei der gerichtlichen Betreuung das Amtsgericht jederzeit Entscheidungen beeinflussen oder sogar abändern. Die Handlungsfähigkeit bei der Vorsorgevollmacht ist also wesentlich weiter.

Wann reicht eine Vorsorgevollmacht nicht aus?

Die sogenannten höchstpersönlichen Rechtsangelegenheiten können nicht auf eine andere Person übertragen werden. Dies ist selbst dann nicht möglich, wenn per Vorsorgevollmacht dem Bevollmächtigen eine Generalvollmacht ausgestellt wurde. Dies betrifft z.B. eine Eheschließung oder auch die Errichtung eines Testaments. In beiden Fällen kann der Bevollmächtigte nicht im Namen des Vollmachtgebers tätig werden.

Kann ich mehrere Vorsorgevollmachten gleichzeitig errichten?

Ja, das ist möglich. Es ist insbesondere sinnvoll, wenn bestimmte Lebensbereiche von unterschiedlichen Personen geregelt werden sollen. So kann eine Vollmacht für den Sohn auf die finanziellen Geschäfte beschränkt werden, während der Ehepartner die Vollmacht über die medizinische Versorgung und die Wahl der Pflegeeinrichtung erhält. 

„Um Konflikte zu vermeiden, sollten die zu regelnden Rechtsbereiche in den verschiedenen Vollmachten klar umrissen sein. Ein Notar hilft Konflikte zu vermeiden, in denen ansonsten das Amtsgericht entscheiden müsste“, Jan Thomas Ockershausen. 

Jan Thomas Ockershausen, Fachanwalt für Erbrecht

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