Erbrecht in Deutschland
Das Erben und Vererben ist in Deutschland gesetzlich genauestens geregelt. Das Thema betrifft praktisch jeden Bürger mindestens einmal in seinem Leben, wenn er selbst verstirbt, allerdings auch dann, wenn Angehörige versterben. Jeder Erblasser hat die Möglichkeit, seinen Nachlass rechtlich genau vorzubereiten und zu regeln. Er kann seinen letzten Willen nach seinen Wünschen gestalten und beugt dadurch auch Missverständnissen und Konflikten zwischen Hinterbliebenen vor. Gerade wenn es um materielle Aspekte geht, ist es sehr wichtig, sich über die Regeln und Normen des Erbrechts genau zu informieren. Auf dieser Seite sollen einige der allgemeinen Fragen zum Thema Erbrecht beantwortet werden.
Häufige Fragen zum Thema Erbrecht
Was ist das Erbrecht?
Das Erbrecht ist in Deutschland u.a. als Grundrecht im Artikel 14 (Eigentum) verankert. Jeder Bürger hat das Recht, für seinen Todesfall den Verbleib seines Eigentums und seiner veräußerlichen Rechte zu regeln. Gleichzeitig regelt es, welchem Bürger das Erbrecht zusteht. Das Erbrecht umfasst alle gesetzlichen Regelungen zum Thema Erben und Vererben und regelt u.a. auch die gesetzliche Erbfolge.
Welches Erbrecht gilt, wenn ich im Ausland wohne?
Seit 2015 bestimmt nicht mehr die Staatsangehörigkeit, welches Erbrecht angewendet wird. Laut EU-Erbrechtsverordnung gilt stattdessen das Erbrecht des Staates, in dem sich der Erblasser zuletzt „gewöhnlich aufgehalten hat“. Es reicht auch nicht, seinen Hauptsitz in Deutschland zu haben. Mit „gewöhnlicher Aufenthaltsort" ist der Lebensmittelpunkt eines EUBürgers gemeint. Verbringt also ein Deutscher seinen Lebensabend in Spanien, gilt dementsprechend das dortige Erbrecht.
Dies lässt sich jedoch leicht verhindern. Im Testament kann der Erblasser verfügen, dass gemäß seiner Staatsangehörigkeit das entsprechende Erbrecht angewendet wird. Die EU ist bei der Durchsetzung ihrer neuen Verordnung relativ kulant. Wurde das Testament vor dem 15. August 2015 verfasst, wird laut Art. 83 Abs. 4 EuErbvO das Erbrecht gemäß der Staatsangehörigkeit des Erblassers angewendet.
Bei dem Verfassen eines neuen Testaments empfiehlt es sich, anzugeben, welches Erbrecht bevorzugt wird.
Welches Erbrecht gilt bei doppelter Staatsbürgerschaft?
Der Erblasser hat in seinem Testament die Wahl zwischen dem Erbrecht seiner beiden Nationalitäten und dem Erbrecht seines Wohnsitzes zum Zeitpunkt seines Todes. Hat der Erblasser also die deutsche und italienische Staatsbürgerschaft, lebt aber in Spanien, kann er zwischen den Erbrechten dieser drei Staaten wählen.
Ist im Testament nicht verfügt, welches Erbrecht angewendet werden soll, wird nach EU-Recht des Erbrecht des Staates angewendet, in dem der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt hatte. Die Staatsangehörigkeit spielt eine untergeordnete Rolle.
„Es empfiehlt sich für Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft, ein notarielles Testament aufzusetzen. Das Erbrecht und die Erbfolge unterscheiden sich zwischen den Staaten stark. Die Wahl des Erbrechts sollte gemeinsam mit einem Notar rechtssicher festgehalten werden“, Jan Thomas Ockershausen
Wer erbt, wenn kein Testament vorhanden ist?
Hat der Verstorbene kein Testament hinterlassen, wird die Erbschaft gemäß der gesetzlichen Erbfolge verteilt. Demnach sind immer die nächsten Verwandten erbberechtigt. Der Verwandtschaftsgrad wird dabei nach „Ordnungen“ eingeteilt. Direkte Abkömmlinge des Erblassers, also dessen Kinder und Enkel, sind Erben der „ersten Ordnung“. Gibt es keine "Abkömmlinge", greift die nächstfolgende Ordnung. Das sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also Geschwister, Neffen und Nichten. Sind auch solche Personen nicht vorhanden, so erben die Erbberechtigten „3. Ordnung“. Dies sind die Großeltern und deren Abkömmlinge – also Onkel, Tanten sowie Cousins und Cousinen. Danach sieht in der letzten Ordnung das Erbrecht die Erbfolge bei Großonkel und -tanten und wiederum deren Abkömmlingen. Lässt sich auch hier ein Erbe nicht ermitteln, so fällt der Nachlass dem jeweiligen Bundesland zu, in dem der Erblasser wohnte.
Nähere Informationen finden Sie auf der Themenseite zur gesetzlichen Erbfolge.
Wieviel erbt der Ehepartner?
Ebenso wie das Erbrecht der Verwandten, wie z.B. der Kinder und Eltern, ist das Erbrecht des Ehegatten auch ohne Vorliegen eines Testamentes gesetzlich geregelt. Der Ehegatte erbt grundsätzlich, wenn Kinder oder Enkelkinder vorhanden sind, die Hälfte des Nachlasses. Wenn nur noch Eltern des Erblassers oder deren Abkömmlinge (also Geschwister) nach gesetzlicher Erbfolge berufen sind, so erbt der Ehegatte neben Ihnen ¾ des Nachlasses. Gleiches gilt, wenn nur noch die Großeltern am Leben bzw. als Erben berufen sind.
Wenn weder Abkömmlinge, also Kinder oder Enkelkinder, noch Eltern, Großeltern oder Geschwister vorhanden sind, ist der überlebende Ehegatte Alleinerbe. Unter Ehegatten ist häufig gewünscht, ein Erbrecht für die Kinder im ersten Erbgang zu verhindern, da dies zu einer Erbengemeinschaft des überlebenden Ehegatten mit den Kindern führt. Daher werden häufig testamentarische Verfügungen, z.B. das sog. Berliner Testament, auch gemeinschaftliches Testament, errichtet. Hier sollten Sie die Einzelheiten mit einem Fachanwalt für Erbrecht oder einem Notar für Erbrecht besprechen.
Was ist der Pflichtanteilsanspruch im Erbrecht?
Im deutschen Erbrecht hat der Erblasser die Möglichkeit, durch die Errichtung eines Testamentes die gesetzliche Erbfolge außer Kraft zu setzen. Für besonders nahe Verwandte sieht das Erbrecht aber einen Pflichtteil vor. Anspruch auf einen Pflichtteil am Erbe haben Kinder, Ehegatten und die Eltern des Erblassers, wenn keine Kinder vorhanden sind. Um den Pflichtteil zu berechnen, steht dem Berechtigten ein Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch zu. Näheres dazu können Sie auf unserer Seite zum Thema Pflichtteil lesen.
„Für die Geltendmachung des Pflichtteils empfiehlt es sich, einen Fachanwalt für Erbrecht aufzusuchen. Der Pflichtteil beläuft sich regelmäßig auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils“, so Jan Thomas Ockershausen.
Wie kann die gesetzliche Erbfolge umgangen werden?
Im Idealfall weicht der Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge durch Errichtung eines Testamentes ab. Dabei kann das Testament handschriftlich und notariell errichtet werden. Letztwillige Verfügungen können entweder durch Testament oder durch Erbvertrag errichtet werden. Das Testament kann jederzeit vom Erblasser widerrufen oder verändert werden. Bei einem Ehegattentestament muss der Widerruf des Testamentes zu Lebzeiten des anderen Ehegatten erfolgen. Er muss notariell beurkundet und zugestellt werden. Anders als beim Testament ist beim Erbvertrag ein lebzeitiger Widerruf nicht möglich, da sich beide Vertragspartner vertraglich binden. Ein Erbvertrag muss in notarieller Form errichtet werden.
Mehr Informationen zum Testament lesen Sie auf unserer Themenseite.
„Wenn Sie ein Testament oder einen Erbvertrag verfassen möchten, sollten Sie unbedingt die Hilfe eines Fachanwaltes für Erbrecht oder besser noch die eines Notars in Anspruch nehmen“, empfiehlt Jan Thomas Ockershausen
Wie kann ich ein Erbe ausschlagen?
Die Erbschaft fällt in jedem Fall mit dem Tod des Erblassers an. Dem Erben ist allerdings die Möglichkeit eröffnet, die Erbschaft auszuschlagen. Er wird dann nicht Erbe. Dies muss allerdings innerhalb der ersten sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall geschehen. Befindet sich der Erbe zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Erbfalls im Ausland, beträgt die Frist sechs Monate. Die Erklärung, mit der das Erbe ausgeschlagen wird, muss von einem Notar beglaubigt werden.
Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen gesetzlichen Erbteil oder um ein testamentarisch zugedachtes Erbe handelt. Unerheblich ist auch, ob es sich um ein handschriftliches oder notariell errichtetes Testament handelt. Demgegenüber ist eine besondere Erklärung zur Annahme der Erbschaft nicht erforderlich.
Weitere Informationen finden Sie auf unserer Themenseite zur Erbausschlagung.
Gibt es eine Erbberechtigung nach einer Ehescheidung?
Wird eine Ehe nach deutschem Recht geschieden, erlischt auch die Erbberechtigung des ehemaligen Ehepartners. Es besteht kein Anspruch auf den gemeinsamen Nachlass mehr. Anders ist das bei den Kindern des Ehepaars. Trotz Scheidung steht den gemeinsamen Kindern der gesetzliche Erbteil zu.
Steht einem Lebenspartner auch ohne Trauschein ein Erbe zu?
Ohne gesetzliche Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft hat der Partner keinerlei gesetzliches Erbrecht gegenüber dem Erblasser. Er wird vom Gesetz wie ein Fremder behandelt. Damit der Partner überhaupt ein Erbe erhält, muss der Person im Testament ein Erbteil zugeschrieben werden. Der Erblasser kann dieses Testament jedoch jederzeit eigenhändig ändern. Ein Berliner Testament für Eheleute ist ohne gesetzliche Ehe nicht möglich.
Es bietet sich in solchen Fällen ein Erbvertrag an. Dieser kann nur angepasst werden, wenn beide Parteien zustimmen. Aber auch dann ist der Partner Eheleuten nicht gleichgestellt. Ohne Trauschein wird das Erbe weit höher versteuert. Der Freibetrag bei Eheleuten liegt bei 500.000 Euro. Nichtverwandte „Fremde“ haben nur einen Freibetrag von 20.000 Euro.
Können adoptierte Kinder erben?
Adoptierte Kinder werden im deutschen Erbrecht behandelt wie die leiblichen Kinder des Erblassers. Sie haben auch den gleichen Pflichtteilanspruch wie die leiblichen Kinder des Erblassers. Das gilt ebenso gegenüber den Adoptiv-Großeltern und weiteren Verwandten. Auf der anderen Seite erlischt das gesetzliche Erbrecht gegenüber den biologischen Eltern komplett.
Wird ein Erwachsener adoptiert, ist das Erbrecht jedoch eingeschränkt. Bei einer sogenannten „schwachen Adoption“, behält die Person das Erbrecht gegenüber den biologischen Eltern und bekommt nur das Erbrecht gegenüber den Adoptiv-Eltern, aber nicht für weitere Verwandte in der Adoptiv-Familie.
Bei einer „starken Adoption“ erhält die Person das volle Erbrecht in der Adoptiv-Familie und verliert das Erbrecht in seiner leiblichen Familie. Diese Art der Adoption ist bei Erwachsenen nur unter besonderen Bedingungen möglich.